****       Sapere aude!        ****        
                 
Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! – forderte der Philosoph Immanuel Kant vor mehr als 200 Jahren. Er hatte etwas viel von uns verlangt, aber ein wenig sollten wir ihm schon entgegenkommen. Jeder auf seine Weise. Hier die meine.
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Madagaskar − aller guten Dinge sind drei


Gut, Mallorca oder der Ostseestrand sind für Urlauber die Renner, aber Madagaskar, und das zum dritten Male? Heino sang einst sehnsuchtschwanger „Wir lagen vor Madagaskar“. Womöglich hat er selbst gar nicht gewusst, wo er denn da lag, der Heino mit seinem Schiff. Denn Madagaskars Küste misst 5 000 Kilometer und sieht überall anders aus. Ausgesprochen vielfältig ist die Tier- und Pflanzenwelt (s. auf der Website Madagaskar 2013 und 2017). Viele Arten sind nur auf dieser Insel zuhause, sonst nirgendwo auf der Welt − Endemiten genannt. Zudem spricht man wegen der hohen Artenvielfalt von einer Megadiversität. Sehr divers ist auch die Bevölkerung. Madagaskar wurde ziemlich spät von Menschen besiedelt, etwa 350 Jahre vor der Zeitenwende beginnend. Über Jahrhunderte hin würfelte sich die Bevölkerung aus allen möglichen Gegenden der Alten Welt zusammen, vorzugsweise aus dem indoafrikanischen Raum.
Die Madagassen sind ausgesprochen freundliche Leute. „Mora-mora!“, heißt es bei ihnen, immer schön mit der Ruhe. Gegenüber Europäern haben manche, vor allem in den abgelegenen Gebieten, einen gewissen Vorbehalt − wegen deren unheimlich hellen Hautfarbe. Als gemeinsame Sprache hat sich bei den insgesamt 18 größeren Bevölkerungsgruppen das Madagassische durchgesetzt. Daneben wird französisch gesprochen. Während der Kolonialzeit war es die einzig zugelassene Amtssprache. Mit Englisch kommt man hier nicht sehr weit, aber irgendwie eben doch zum Ziel. Unterstützt mit Gestik und Mimik, mit Zeigen und Deuten. Und vor allem mit Freundlichkeit.
Und teuer? Mallorca oder Ahrenshoop können in der Hauptreisezeit teurer sein! Der Flug ist mit etwas mehr als 700 Euro der aufwändigste Posten. Wirklich unangenehm stößt die lange Flugzeit auf: mindestens 15 Stunden. Hotels kosten in der einfacheren, aber durchaus annehmbaren Ausstattung pro Nacht zwischen 10 und 15 Euro, die besseren und dann auch wirklich guten 20 Euro. Das Essen ist ohnehin sehr günstig zu haben.

So oder so ähnlich sah früher einmal ganz Madagaskar aus. Ursprünglich fast vollständig von Wald bedeckt, sind es heute nur noch etwa 10 Prozent.


Innenansichten:

a Pilze, Moose, Farne - wer schon will alle kennen?

b Der in den Tropen der Alten Welt überall vorkommende Vogelnest-Farn (Asplenium nidus-avis).

c-e Die Szenerie wird beherrscht von den in den madagassischen Urwäldern häufigen Schraubenbäumen. Sie gehören zur Familie der in den Tropen weithin verbreiteten Pandanusgewächse und werden von den Madagassen „Vakona“ genannt.


a, b Nicht etwa durch Kahlschlag, viel mehr durch Brandrodung geopferte Landschaft. Die entblößten Flächen, einst zur landwirtschaftlichen Nutzung gedacht, verwildern und geben vor allem den eingeschleppten Steppenpflanzen Raum. Von Nutzung zumeist keinerlei Spur. Wenn Bäume Platz greifen, dann australische Eukalyptusarten oder nordamerikanische Pinien. In manchen Gegenden sieht man eher ausnahmsweise mal ein Rind weiden, oder zwei, von ganzen Herden keine Spur. Und das, obwohl ein Großteil der Bevölkerung bettelarm ist.

c Berggipfel, die andernfalls tief im Wald versteckt wären.


Das Markttreiben in der Hauptstadt täuscht Üppigkeit vor. Nach unseren Begriffen aber sind die meisten Menschen „arm“, sehr arm sogar, bettelarm, muten dennoch oft viel glücklicher an als die unseren. Zwar sieht man des öfteren dicke, auf Hochglanz polierte SUVs herumfahren, die meisten Autos oder Motorräder aber wurden von irgendwo in der Welt aus dritter oder vierter Hand gekauft. Man sieht es ihnen an. Die Straßenränder, die "Bürgersteige", sind eine Katastrophe. Bei den hier gezeigten Beispielen handelt es sich nicht um Ausnahmen, sondern um die Regel. Wenn man dazu noch Bettlern begegnet, allzumal bettelnden Kindern, fängt das Herz an zu krampfen, und das Portemonnaie öffnet sich.


Lange genug gelauscht und gesucht. Dann, oben in den Baumkronen ein Rascheln, Zweige bewegen sich - endlich Lemuren! Lemuren (früher „Halbaffen“ genannt) findet man nur auf Madagaskar und auf einigen benachbarten Inseln, nicht in Afrika. Umgekehrt gibt es hier keine „echten“ Affen.
a Der Schwarzweiße Lemur ist es. In der Gegend um Andasibe einigermaßen oft zu sehen.
b Der Indri, ebenfalls schwarz-weiß, der größte der Lemuren, dem Aussterben nahe. Doch soll es ihm nun dank umfangreicher Schutzmaßnahmen besser gehen. Während die anderen Lemuren ihren langen Schwanz bei den gewaltigen Sprüngen von Ast zu Ast zum Steuern brauchen, offenkundig jedenfalls, hat der Indri nur einen Stummelschwanz und – springt ebenso präzise.
c Eher bescheiden aussehend und recht still, der Bambus-Lemur. Er ist vorwiegend nachtaktiv und nascht dann von frischen Bambussprossen.
d Durchblick und - ein Diadem-Safaki! Sehr attraktiv ist er, der tagaktive Lemur. Und auch laut, wenn von ihm eine ganze Familie in den Baumwipfeln herumspringt.
e, f Etwas schlichter das Kleid, dafür aber auch weniger scheu: der Braune Lemur.

Kamerajagd nach Lemuren. Rufgesänge einer Indri-Familie. Und dann Braune Lemuren.


Und was ist das? Hier, im Regenwald Analamazoatra bei Andasibe, etwas Schlauchartiges?

Als eine Baumschlange entpuppt sich das Gebilde, Ithycyphus perineti, erst 1986 entdeckt, bislang ohne deutschen Namen. Sie gehört zu den Trugnattern, deren Giftzähne weit hinten im Schlund liegen. Menschen sind von ihnen bislang offenbar verschont geblieben.


a Kleine Welten. Es müssen nicht immer Elefanten oder Giraffen sein oder Flusspferde (die es auf Madagaskar ohnehin nicht gibt). Die kleinen Tiere tun’s auch. Oft noch viel besser.
b Zum Beispiel der Giraffenkäfer (Trachelophorus giraffa). Hier das Männchen. Selbst ein noch so auf Originalität bedachter Künstler würde einen solchen Einfall gleich wieder verwerfen. Was nur hat die Evolution sich hierbei gedacht? Die Männchen, heißt es, brauchen ihren extrem gestreckten Nacken, um damit Blätter einzurollen, worin dann von den Weibchen jeweils ein einzelnes Ei abgelegt wird.

c Die einen, die Schmetterlinge, sind zumeist schön, ja prachtvoll.

d Die anderen empfinden wir als hässlich - pfui Spinne! Giftklauen haben sie alle, die der meisten Spinnen aber sind so klein, dass sie unsere Haut nicht durchbohren können.

e Ein höchst eigenartig anmutendes Insekt, eine Stabheuschreckenart (Gattung Achrioptera). Es ist trotz seines gefährlichen Aussehens absolut harmlos. Das verhältnismäßig kleine Männchen klammerte sich an sein Riesenweib und war von ihm kaum zu unterscheiden. Das gelang erst so richtig nach beider (gewaltsamen) Trennung.


a Da heißt es besser: aussteigen und zugucken.

b Hier noch durch, und dann sollte sich das Sumpfgebiet Torotorofutsy auftun.

c Das Wasser reicht über den Stiefelrand hinaus, macht nichts, es ist warm. Doch nirgendwo der angekündigte Tomatenfrosch.

d Dafür, welch Pracht, der Foudy (Foudia madagascariensis). So hübsch er aussieht, auf Madagaskar ist er einer der häufigsten Singvögel. Mit Reis serviert, gilt das Piepmätzchen manchem als Leckerbissen.

e Fünfzig Meter weiter, ein Verwandter unseres Eisvogels, der Madagaskarfischer (Corythornis madagascariensis).

f, g Taggeckos (Gattung Phelsuma) sind recht häufig und in vielen Arten vertreten. Übrigens auch in unseren Zoogeschäften.


a Weiter geht es. Zwei Fernstraßen bilden Madagaskars Hauptachsen, eine durchmisst das Land in Nord-Süd-Richtung, die zweite führt von der Hauptstadt Antananarivo zu den Hafenorten in Richtung Ostküste. Hier reihen sich oft Lastwagen an Lastwagen und nicht selten Schlagloch an Schlagloch, und auch solche der schlimmsten Art. Zwar gibt es parallel dazu eine Eisenbahnlinie, die aber hat ihren Dienst eingestellt.

b In den Ortschaften reihen sich die Verkaufsstände.

c Überall, wo Menschen siedeln, wird gewaschen. Sauberkeit ist heiliges Gebot. Anstelle von Waschmitteln tun es viel, viel Wasser, Natursand und kräftiges Wringen.

d In urigen Wäldern wieder und durch reinen Zufall entdeckt: ein Panther-Chamäleon (Furcifer pardalis). Es ist eine der größten und zugleich schönsten dieser Echsen. Hier aber jung und durch Camouflage kaum zu entdecken.

e In voller Pracht das erwachsene Tier. Trotz seiner Farben und Musterung ebenfalls nicht gerade leicht zu entdecken, da es sich zwischen Zweigen und Blättern optisch auflöst.

f Vollendet angepasst: der Blattschwanzgecko (Uroplatus sikorae).

g Mit dem Finger angetippt, zeigt das Tier seine Fratze.

h Feenhaft schwebend im Flug und feenhaft das flirrende Blau der Flügel.

i Zum Fotografieren mal ausgeborgt, eine Baum-Boa. Madagaskar beherbergt – paradoxerweise, möchte man sagen – die für Mittel- und Südamerika typischen Boas, dafür keinen der in Afrika und Asien vorkommenden Pythons. Vor 350 Millionen Jahren wurde die Insel durch Landmassenverschiebung von Afrika getrennt und war, wie vermutet wird, eine Zeitlang über die Antarktis mit dem amerikanischen Kontinent verbunden.


Todbringende Tiere gibt es nicht auf Madagaskar, aber Ungemach kann von ihnen ausgehen.

a Das Tierchen fand ich durch Zufall beim Hemdwechsel. Habe in Panik draufgetreten, den Leichnam dann säuberlich präpariert, und hier das Ergebnis.

b Wollte doch das strunzdumme Ungeheuer mora-mora eine verkehrsreiche Straße überqueren! Mutig gegriffen und … Nun ja, Menschen sind Ihrem Retter gegenüber dankbarer. Oder?

c Die jungen Leute sind recht stolz auf ihren Fund: ein Skolopender. Wie alle Hundertfüßer hoch unangenehm giftig. Offenbar ist der Fang nicht von der alltäglichen Art.


a, b Zwischenstation Brikkaville. Die Kolonialzeit mischt sich mit der von heute.

c Prachtvolle Unterkünfte für umgerechnet 20 Euro pro Nacht. Hier das Touristenhotel Feon'ny Ala, das an den Nationalpark Analamazaotra angrenzt. Oft wird man hier vom Rufgesang des größten der Lemuren, des Indri, geweckt.

d Zwei, drei Kilometer entfernt das Dörfchen Andasibe. Hier finden sich noch weit kostengünstigere Unterkünfte. Doch werden diese wohl kaum jemals von ausländischen Touristen genutzt.

e Wachsen, am besten immer schön nach oben.

f Wachsen und Vergehen, Assimilation von CO2 und Dissimilation durch Verrottung – ein Nullsummenspiel. Gewisse „Klimaschützer“ wollen das nicht verstehen.


a, b Idylle - a oder b? Dann wohl eher b.

Zurück in die Hauptstadt Antananarivo:

c Blick hinüber zum Rova, dem ehemaligen Königspalast (d). Das Warnzeichen versteht man auch sprachlos.

e Ein Blick von dort aus hinunter zum Lac Anosy, dem See im Zentrum der Stadt.

f, g Der Zoo, in Antananarivo ein Muss für Touristen. Begeisternd, wie Schüler den Ausflug annehmen. Fröhlich sind sie, springlebendig, dennoch diszipliniert. Und höflich. Überhaupt sind die Kinder auf Madagaskar ähnlich den Kindern früher auch in unserem Land. So jedenfalls meine (geschönte?) Erinnerung.

h Auch freilebenden Reihern bietet der Zoo ein Zuhause. Hier die in aller Welt (mittlerweile auch bei uns) verbreiteten Seidenreiher. Wirkt alles ausgesprochen idyllisch.

i Im Stadtzentrum aber pulsiert das Leben.